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Stephan Geisler

ghosty hands

Hände

Hände sind ein ganz wunderbares und doch von vielen so unendlich gefürchtetes Thema. Ich erinnere mich immer wieder gerne an typische Situationen in Aktzeichenseminaren. Den Torso zeichnen alle, Arme und Beine die meisten auch, der Kopf wird gerne „ob der fehlenden Zeit“ weggelassen und die Hände mutieren zu grasbüschelähnlichen zeichnerischen Ausschweifungen, sofern sie überhaupt gezeichnet werden.

Für viele ist der Gedanke „Hände sind so furchtbar schwierig“ so überbordend, dass sie glatt vergessen, einfach mal hinzuschauen. Und das ist bei schweren Dingen, die gezeichnet werden wollen, das einzige Geheimnis. Manchmal braucht man mehr Zeit, um eine Realität zu begreifen, manchmal weniger. Und dann kommt die Übung dazu.

Und wenn man diese Herausforderungen erstmal „kann“, dann machen sie so richtig Spaß, denn die in der Kindheit geprägte Vorstellung, „Handfläche und 5 Finger mit Fingernägeln“, verschwindet immer mehr und die Hände werden zu einem eigenen Körper, ein eigener Akt, den man genauso sinnlich erfassen kann und möchte wie den Körper selbst. Hände geben einem Menschen die Würze und sind so wichtig für die Kommunikation.

Aus diesem Grunde muss zumindest eine der 20 Zeichenübungen den Händen gewidmet sein. Viel Spaß dabei, genieße es und nimm Dir Zeit.

Das Prinzip

Es geht in dieser Übung allerdings nicht nur um Handstudien, sondern wir werden lineare Handzeichnungen übereinanderlegen und in jeder Hand einen anderen Ausarbeitungsschwerpunkt legen, so dass am Ende zwar realistische, auch proportional realistische Hände da sein sollen, sie aber gleichermaßen geisterhaft verwoben sind und scheinen.

Während des Zeichnens wird es natürlich zu Verwirrungen kommen. Umso mehr Hände es werden, umso schwieriger wird es sein, die Gesamtproportionen im Auge zu behalten, aber – und das ist das ausgefuchste – auch für den Betrachter. Die Kernidee der Zeichnung ist gleichzeitig eine Vertuschungstaktik!

Ach ja – Deine Nichtzeichenhand ist das Modell für alle Hände ……..

Und nun ans Werke!

Schritt 1

Hand 1

Erster Schritt, erste Hand. Arbeite mit einem rosafarbenen Farbstift auf einem DinA3 Blatt, lass Deine Hand eine kompakte Position einnehmen und zeichne sie so groß wie möglich. Versuche nur über Linie, also Kontur, zu arbeiten. Feile die Feinheiten in der Kontur nicht ab und glätte sie, sondern alle Kleinigkeiten und Feinheiten solltest Du immer ein bisschen überakzentuieren. So lernst Du die Hand kennen und lieben. Alle händischen Beginner werden sicher um die Proportionen ringen. Hier muss ich immer anfügen: Es geht nur das, was geht! Alles andere muss geübt werden, aber es ist mehr als machbar, wenn Du bereit bist hinzuschauen.

Schritt 2

Hand 2

Lass Deine Hand eine neue Position einnehmen, nicht ganz so kompakt aber dafür eine eigenwillige Position, arbeite mit einem orangefarbenen Buntstift und wiederhole quasi Schritt 1, indem Du so tust, als wäre noch gar nichts da. Zeichne Deine Hand auch wieder rein linear auf die schon vorhandene Hand. Die Verwirrung beginnt.

Schritt 3

Hand 3

Du brauchst eine neue eigenwillige Handposition und wiederholst Schritt 2 mit einem blautürkisfarbenen Buntstift.

Schritt 4

Hand 4

Und noch einmal, diesmal in einem dezenten grün.

Schritt 5

Hand 5

Und das letzte Mal mit einem weichen Bleistift, teilweise nur zart aufgedrückt!

Schritt 6

Eine Hand mit Farbstift

Eine Deiner gezeichneten Hände schraffiere etwas mit demselben Farbstift an, mit der sie gezeichnet ist. Suche Dir hier und da Bereiche heraus, in denen Du leichte und zarte Schraffuren setzt, um entweder etwas mehr Detail herauszuholen oder etwas Plastizität zu erzeugen.

Schritt 7

Eine Hand mit drei Fingerspitzen

Nimm Dir eine weitere Deiner Hände vor, eine der Farbstifthände, und modelliere mit einem HB-Bleistift drei Fingerspitzen oder –enden (ca. das jeweils letzte Gelenk oder etwas mehr oder etwas weniger) relativ genau heraus, gerne zart, gerne nah an der Realität.

Schritt 8

Eine zweite Hand mit drei Fingerspitzen

Mach das gleiche noch einmal. Dieses Mal geht es um die mit Bleistift gezeichnete Hand.

Schritt 9

Eine Hand mit leichten Hintergründen

Nun geht es noch einmal um eine Deiner Hände, die noch keine Weiterbearbeitung erfahren hat. Mit einem H-Bleistift schraffierst Du ganz zart und gleichmäßig einige der Hintergrundbereiche an. Fertig! Falls Du glaubst unbedingt noch etwas Anderes machen zu müssen, kannst Du das natürlich immer tun, aber das Verwirrspiel sollte aufrechterhalten bleiben.

Die Reflektionsfragen

Heute war das Zeichnen selbst fast akademisch, gepaart mit einer Idee der Umsetzung. Hast Du neue Erfahrungen machen können oder war das eher ein alter Hut?

  1. Wie bist Du mit den Proportionen und der Realität selbst zurechtgekommen? Gab es Schwierigkeiten? Falls ja welcher Art? Hast Du das Gefühl, Du erkennst Feinheiten in der Kontur und kleinste Details und setzt diese auch bereits etwas um?

  2. Wie fandst Du das Prinzip der Überlagerungen? Hat es funktioniert? Was könnte man besser machen? Wie bekäme dieses Prinzip für Dich womöglich noch mehr Sinn? Gibt es Themen, die sich Deines Erachtens ganz besonders für diese Schichtung eignen würden?

  3. Wie war für Dich die Anzahl der übereinandergelagerten Zeichnungen. Was hätte sich an der Wirkung und Bildaussage geändert, hättest Du nur drei Schichten gehabt? Was wäre anders gewesen, wären es drei mehr gewesen? Versuche diese Fragestellung sachlich zu beantworten.

Habe eine sonnige Woche und genieße die innigen Zeichenmomente, von denen es hoffentlich sehr viele gibt!

Ganz herzliche Grüße – Stephan