fbpx

Stephan Geisler

hanging stillifes

das thema

Das heutige Thema ist sowohl ein rein formales als auch ein inhaltliches.

Heute geht es darum, verschiedene Gegenstände mit einem Bindfaden oder Draht zu versehen und sie alle zusammen an einem Punkt aufzuhängen. Warum nicht einfach hinstellen? Was ist der Unterschied?

Habe ich einen Untergrund, auf dem in Gegenstände stelle oder lege, bin ich sehr in meiner Sehgewohnheit, lasse ich sie hingegen schweben, haben sie keinen Kontakt mehr mit dem Boden, sehe ich sie in einer mir fremden Art und Weise. Es geht immer wieder darum, Sehgewohnheiten aufzulösen oder zu stören.

Zum anderen kann ich die beteiligten Gegenstände nicht wirklich arrangieren. Hänge ich sie alle an einem zentralen Punkt auf, werden sie einfach aneinandergedrückt, es gibt nicht wirklich Zwischenräume, es sei denn man arbeitet mit verschiedenen Drahtlängen.

Wenn nun aber alle Gegenstände in ungewohnter Art und Weise zusammengedrückt werden, entsteht quasi eine neue Figur, die dadurch, dass sie aus irgendwelchen Gegenständen besteht, erst recht nicht mehr unseren Sehgewohnheiten entspricht.

Eine interessante Frage stellt sich dabei. Sehe ich eigentlich zuerst nur die eine Figur oder sehe ich zuerst die einzelnen beteiligten Gegenstände? Das kann ich während des Zeichnens auch nochmal gezielt steuern. Lenke ich den Blick auf die eine Figur, wird die Zeichnung sehr viel abstrakter.

Darüber hinaus ergibt sich in der Aufgabenstellung auch eine inhaltliche Komponente. Natürlich kannst Du irgendwelche Gegenstände aufhängen oder Du kannst Gegenstände wählen, die zu einer inhaltlichen Aussage führen, wie z.B.

  • Rot-weiß gestreiftes Absperrband und Spielzeug

  • Gebündeltes Altpapier und 2 ausgetopfte Gartenblumen mit Wurzeln

  • Ganz altes und ganz neues Spielzeug

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten und eine Aussage muss nicht mit der Holzhammer-Methode getroffen werden, sie darf auch sehr versteckt oder auch persönlich sein ….

Bevor es also mit der eigentlichen Übung losgeht, musst Du bereits aktiv werden, Gegenstände zusammenstellen, mit Draht oder Fäden versehen, sie in Zeichenhöhe hängen und erst dann geht es los.

Zeichnen ist so viel mehr als schnödes Abzeichnen. Während des Zeichnens selbst kannst Du so viel ausdrücken und steuern und zu einer Aussage kommen, aber Du kannst durch die Wahl Deines Themas und die Perspektive darauf und durch die bewusste Auswahl der Zeichenobjekte bereits im Vorfeld zusätzlich die Qualität Deiner Aussage und Deiner Zeichnung bestimmen.

die übung

Hast Du Dein Arrangement getroffen und Deine Installation gebaut, dann geht es direkt mit Schritt 1 los. Allerdings ist der erste Schritt ein theoretischer.

Schritt 1

Komposition und Papierformat

Im ersten Schritt wollen wir zwei grundlegende Überlegungen anstellen. Zum einen geht es um das Papierformat. Kann das gewählte Papierformat die hängende Wirkung unterstützen. Wie wäre es, wenn Du einfach 2 DinA3-Bögen längs aneinanderklebst, um ein extremes Hochformat zu bekommen? Du solltest Dich anschließend bewusst entscheiden, auf welcher Höhe das Objekt schweben soll. Diese Zeichnung darf viel Freiraum haben. Nach oben und unten benötigst Du unbedingt Freiraum. Außerdem sollte das Gesamtobjekt auch seitlich nicht an den Rand stoßen. Das unterstützt noch einmal den hängenden Charakter. Randanschnitte halten und stabilisieren das Objekt optisch.

Schritt 2

Erste Skizze

Starte mit einer ersten Skizze. Platziere das Objekt und erzeichne Dir eine Orientierung auf dem Blatt. Setze nach und nach auch schon konkretere Bereiche , gehe hier und da etwas ins Detail. Bleibe aber bei der Linie. Setze noch keine Schraffuren.

Schritt 3

Farbige Lasur

Mische Dir mit Wasser und z.B. Tusche eine eher helle farbige Lasur an. Wähle bewusst eine Farbe, die Du mit dem Objekt verbindest. Lasiere gut 60% Deines Objektes mit einem Tusch- oder Aquarellpinsel. Setze sowohl extreme und grobe Flächen, gehe aber mit der Spitze auch an vielen Stellen sehr ins Detail.

Ganz wichtig: Achte unbedingt darauf, dass Du ausschließlich innerhalb der Figur arbeitest und den Hintergrund unberührt lässt!!!!!

Schritt 4

Dunkle Lasur

Schritt 4 ist einer wässrigen dunklen Lasur gewidmet. Jetzt lasiere ca. 30% des Objektes und wieder geht es nur um das Objekt und nicht um den Hintergrund. Arbeite in diesem Schritt sehr exakt und sehr realistisch.

Schritt 5

Dunkle Tusche

In Schritt 5 geht es entsprechend um eine pure dunkle Tusche. Setze alle dunklen Bereiche Deines Objektes mit der Spitze eines Aquarell- oder Tuschpinsels sehr exakt und detailliert ein.

Schritt 6

Farbskizze

Sind die Lasuren gut durchgetrocknet, soll es nochmal um eine rein lineare Skizze gehen und zwar mit einem sehr kräftigen Buntstift (nichts helles und nichts dunkles) und sehr akzentuierten Linien und auch sehr in Detail gehend.

Wieviel und wo Du den Stift überall einsetzt, hat natürlich auch kompositorische Aspekte. Entscheide Dich immer wieder spontan und versuche die kompositorische Veränderung während der Arbeit mit dem Farbstift im Auge zu behalten.

 

Schritt 7

Bleistift-Details

Nun arbeite an vielen Stellen mit dem Bleistift Details heraus, setze Schraffuren, werde sehr exakt. Achte darauf, dass Du nicht alles gleichmäßig herausarbeitest sondern nur bestimmte Stellen. Wie in jedem Schritt, so geht es auch hier um die Berücksichtigung kompositorischer Aspekte. Da wo Du mehr Details setzt und dichter wirst, entsteht eine größere Dominanz und Eindringlichkeit.

Schritt 8

Mehr Dichte

In den jetzt bereits betonten Stellen verstärke die Dichte noch einmal, indem Du weiterschraffierst, noch einmal überschraffierst usw. Ich stelle diesen Punkt nochmal als eigenen Schritt da, da wir in der letzten Übung sehen konnten, wie wichtig zeichnerische Dichte sein kann und wie schnell wir doch vorher aufhören.

Schritt 9

Oder Schlagschatten und …

Schritt 9 ist nur eine Option und über diese Option sollte man sehr genau nachdenken, weil sie, wenn Du sie ausführst, die ganze Zeichnung noch einmal verändert.

Also entweder Du lässt die Zeichnung, wie sie jetzt ist, oder Du setzt noch einen Schlagschatten und einen Hintergrund.

Der Hintergrund bezieht sich auf das obere Viertel. Schraffiere den kompletten Hintergrund mit einem eher harten Bleistift zart aus. Lasse die Schraffur nach oben hin dichter und dunkler werden und nach unten hin immer heller, bis dass sie sich auflöst.

So kannst Du im oberen Bereich die Schnur oder den Draht der Aufhängung gut herausstellen.

Zusätzlich setze auf den Boden nach ganz unten, ggf. sogar angeschnitten an den unteren Bildrand einen Schlagschatten. Die Form des Schlagschattens kannst Du frei erarbeiten. Entscheide Dich bewusst, ob er ganz klar oder eher diffus ist. Im zweiten Fall wird er im Zentrum sehr dunkel sein und nach außen hin immer heller werden. Dieser Schlagschatten sollte so tief liegen, dass sich zwischen ihm und dem Objekt selbst unbedingt ein Freiraum befindet.

die reflektionen

Kommen wir wieder zu unseren kleinen Reflektionen, um uns einige der Erfahrungen aus der Übung noch einmal bewusst vor Augen zu führen.

  1. Was ist für Dich anders, wenn Du Dein Stillleben aufhängst? Welche unterschiedlichen Möglichkeiten mehrere Gegenstände zu hängen hast du? Inwieweit kannst Du mit diesen unterschiedlichen Hängemöglichkeiten auch unterschiedliche Dinge ausdrücken? Was würde mit der Aussage Deiner Zeichnung passieren, hinge Dein Objekt sehr hoch und schautest Du von unten nach oben?

Wie wäre es, wenn Du wiederum die Vogelperspektive einnehmen würdest?

  1. Was habe Dir die drei unterschiedlichen Lasuren gebracht? Haben sie Dir etwas gebracht? Hättest Du die drei Schritte nicht besser mit dem Bleistift lösen können?

  2. Falls Du den letzten Schritt gemacht hast, was genau hat sich in der Zeichnung verändert? Was hat er gebracht? Inwieweit hat er die Aussage verändert?

Mit dieser Übung haben wir Halbzeit. Ich hoffe, es macht Dir immer noch Spaß und Du freust Dich auf die zweite Hälfte, die nun noch vor Dir liegt. – Sei herzlich gegrüßt – Stephan