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Stephan Geisler

Ich suche ein Quadrat

Das Thema

Wir alle haben Handys, ansonsten Fotoapparate und wenn es gar nicht anders geht, haben wir Google. Aber ich gehe jetzt erst einmal davon aus, dass wir alle ein Handy haben, mit dem wir auch fotografieren können und mit diesem Handy können wir normalerweise auch quadratisch fotografieren. Und genau das soll in dieser Aufgabe der erste Schritt sein. Wir suchen uns draußen Motiv, quasi ein Stück Boden, was auch immer sich auf diesem Boden befindet. Und dieses Stückchen Boden, was symbolisch für Vieles stehen kann, ist unser Motiv.

Diese Art der Motivsuche darf dauern, denn es will reiflich überlegt sein, was man fotografiert, welchen Ausschnitt und was sich im Einzelnen auf diesem Ausschnitt befindet.


Die Komposition

Denn genau hier findet sowohl die erste kompositorische Auseinandersetzung statt, als auch die thematische Weichenstellung. Kompositorisch geht es beim Fotografieren schon darum, die spätere Zeichnung im Auge zu haben. Wo sind auf dem Ausschnitt wichtige Stellen, die Schwerpunktpotential haben? Wo sind diese Stellen auf dem Ausschnitt platziert? Wie viele gibt es und wie sind sie angeordnet? Wir überlassen das Thema „Komposition“ also nicht dem Zufall, sondern wir steuern es bereits sehr gezielt bei der ganz exakten Motivwahl!!!

Das zweite war die thematische Weichenstellung. Das spielt hier natürlich nur bedingt eine Rolle, aber manchmal weisen Fundstücke auf dem Boden auf ganz bestimmte Sachen hin.

Hier einige Beispiele:

  • Was sagt getrockneter aufgesprungener Lehmboden in Deutschland aus?

  • Was ist anders, wenn LKW oder Fahrradspuren mit auftauchen?

  • Was könnte einem einfallen, wenn wir die Grenze zwischen Schotterweg und gärtnerischem Wildwuchs oder Wiese und Gewässer zeichnen? Was wäre, wenn Zigarettenkippen auftauchen oder womöglich tote Käfer herumliegen oder sogar

ein altes Schmuckstück verschwommen im Gewässer liegt.

Es ist immer eine andere Geschichte und ein anderer Inhalt. Aber die Komposition soll in dieser Aufgabe die wichtigere Rolle spielen.

Die Fotos

Geh also auf die Pirsch und mache 20-25 Fotos, immer direkt senkrecht von oben auf den Untergrund ohne perspektivische Verkürzungen oder Fluchtlinien. Schaue Dir die Ergebnisse auf Deinem Rechner an und wähle ganz bewusst das Bild aus, welches Du anschließend zeichnerisch nach den vorgegebenen Schritten umsetzen möchtest.

Die Arbeitsschritte

Heute brauchst Du also unbedingt ein quadratisches Format. Achte darauf, dass das Papier nicht zu klein wird. Außerdem sollte das Papier für Lasuren geeignet sein.

Schritt 1 Die Orientierungsskizze

Auch in dieser Woche ist der erste Schritt eine Orientierungsskizze. Den Aufbau des Fotos solltest Du dabei erstmal weitestgehend übernehmen, schließlich hast Du bislang bereits sehr viel kompositorische Arbeit bewiesen und es wäre doch schade, wenn Du diese Arbeit im ersten Schritt direkt wieder über den Haufen wirfst. Hier solltest Du also nah am Objekt arbeiten. – Bleistift.

Schritt 2 Was sind die wichtigen Punkte?

Der zweite Schritt ist ein theoretischer. Ich habe ihn aufgrund der Wichtigkeit separat aufgeführt. An dieser Stelle geht es einfach darum, Dir noch einmal ganz bewusst zu überlegen, welche Punkte in Deiner Zeichnung die wirklich wichtigen werden sollen.

Bislang ging es darum über Ausschnittssuche und –bestimmung beim Fotografieren zu komponieren. Nun könntest Du natürlich weitergehende Entscheidungen treffen. So könntest Du Bereichen oder kleinen Gegenständen, die auf dem Foto weniger wichtig sind, in Deiner Zeichnung aber zu einer besonderen Bedeutung verhelfen, z.B. durch mehr Ausarbeitung usw.

An dieser Stelle bestimmst Du also alle Stellen oder Bereiche, die in Deiner Zeichnung eine eher besondere Rolle spielen sollen, aber tatsächlich rein theoretisch.

Ggf. machst Du ein Foto von der Zeichnung, druckst sie aus und markierst auf dem Ausdruck genau diese Stellen.

Schritt 3 Die partielle Intensivierung

Diese von Dir bestimmten wichtigen Stellen werden in Schritt 3 weiter ausgearbeitet, mehr Detail, mehr Intensität, aber primär mit dem Bleistift und primär linear. Es geht noch nicht unbedingt um Schraffur.

Schritt 4 Die helle Lasur

Nun bereite eine helle Lasur vor, gerne grau oder gräulich, ggf. mit einem Hauch Farbe. Die Lasur sollte wasserbasierend sein, das Material ist egal (Tusche, Tinte, was immer Du vorrätig hast).

Arbeite nun eher mit einem Tusch- oder Aquarellpinsel und arbeite detailverliebt. Hier und da setzt Du sicherlich auch mal großzügigere Flächen ein, aber gerade an den wichtigen Stellen solltest Du genau arbeiten, kleine und kleinste Lasuren setzen. Nimm Dir ausreichend Zeit. Sicherlich werden einige Bereiche auch gar nicht mit Lasur bedacht werden.

Schritt 5 Die dunkle Lasur

Eine dunklere bzw. dunkle Lasur schließt sich an. Die Arbeitsweise ist genauso wie in Schritt 4, nur sehr viel weniger. Da die Lasur dunkler ist, wirst Du die Komposition sehr stark beeinflussen. Achte darauf, dass sich der Einsatz der dunklen Lasur mit Deinen ganzen kompositorischen Vorüberlegungen deckt. Arbeite auch hier teilweise sehr im Detail.

Schritt 6 Der dezente Farbstift

Mit einem dezent farbigen Farbstift geht es nun darum lineare Spuren zu hinterlassen. „Gute“, kraftvolle und zarte, aber gesetzte Linien sollen jetzt noch einmal mehr Akzentuierungen in die Zeichnung bringen und somit einen kleinen Gegenpol zur bisherigen Detailverliebtheit setzen, wie stark, das bestimmst Du!

Schritt 7 Die Schwerpunkte

Arbeite mit einem Bleistift Deine Schwerpunkte heraus, die wichtigeren stärker, die weniger wichtigen entsprechend.

Schritt 8 Der freie Schritt

Der letzte Schritt kann nochmal genutzt werden, um ganz bewusst zu klären, mit einem Material und einer Farbe Deiner Wahl. Oder er kann der Zeichnung sogar nochmal eine neue Wendung geben. Hier einige Beispiele:

  • Eine kraftvolle Farbe könntest Du in ein bis zwei Schwerpunkte setzen.

  • Mit einem roten Farbstift arbeitest Du plötzlich etwas Anderes genau heraus, was bis dahin keine Wichtigkeit hatte.

  • Mit einer farbigen Acrylfarbe überarbeitest Du 30% Deiner Zeichnung deckend und plakativ. (Vielleicht machst Du in so einem krassen Fall erst einen Test auf einer Kopie).

  • Du baust zeichnerisch Text mit ein.

  • Du setzt ein Stück Collage

  • Oder Du finalisierst die bisherige zeichnerische Ausrichtung

Du siehst, auch im letzten Schritt könnte man noch einmal alles verändern und selbst einer Zeichnung noch einmal eine ganz neue Ausrichtung geben (Das ist nur eine Möglichkeit!). Hier bedarf es natürlich eines größeren Mutes, aber wenn man diese Möglichkeiten für sich entdeckt, wird der zeichnerische Prozess dauerhaft sehr viel spielerischer. (Übrigens mit dem iPad kein Problem!)

Die Reflektionsfragen

Heute stand sicherlich der thematische Ausgangspunkt sehr im Fokus. Was man als Zeichner immer wieder begreifen muss, dass realistische Abbildung immer wieder sehr im Fokus steht. Wenn aber das zeichnerische Thema und die kompositorische Idee bereits im Vorfeld eine Rolle spielt, bekommen Zeichnungen schnell etwas sehr Besonderes. Es wird dann eben nicht die 120ste Paprikazeichnung und das 87ste Stillleben mit Birne.

  1. Wie war der fotografische Prozess, der der Motivsuche galt und dem zeichnerischen Part vorgeschaltet war. Hat es Spaß gemacht? Hast Du während des Arbeitens schon Kriterien für Qualität ausmachen können? Hat sich für Dich womöglich ein Unterthema ergeben, eine Bildidee?

  2. Wie mutig warst Du im letzten Schritt? Warum ist es für die meisten Zeichner unglaublich schwierig im letzten Schritt noch einmal eine so maßgebliche Entscheidung zu treffen, die eine Zeichnung womöglich komplett verändert?

  3. Wie war der zeichnerische Teil insgesamt für Dich? Was denkst Du, warum 2 Lasuren dabei waren? Hätte man diese beiden Schritte nicht genauso gut mit dem Bleistift erledigen können. Was wäre der Unterschied gewesen?

Ist es Dir eigentlich gelungen, mit den Lasuren sehr detailliert zu arbeiten?

Die vierte Aufgabe hast Du geschafft, poste sie gerne in der Facebookgruppe und schau mal, wie die anderen diese Aufgabe gelöst haben. Genieße die Woche und freue Dich auf die nächste Aufgabe am kommenden Montag. Sei ganz herzlich gegrüßt – Stephan