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Stephan Geisler

Krone + korken = Kronenkorken

das thema

Heute geht es um etwas kleines, alltägliches, beiläufiges, weggeschmissenes. Heute soll ein Kronenkorken der Ausgangspunkt für die heutige Übung sein. Dabei sind drei Aspekte die eigentliche Herausforderung:

  1. Das Vergrößern eines kleinen Gegenstandes. In der Tat ist alleine das eine extreme Herausforderung. Etwas sehr viel größer zu zeichnen als es „in echt“ ist, erfordert von uns eine sehr bewusste Handlung. Und in diesem Fall soll ein wirklich unscheinbares Ding extrem vergrößert werden, zum zeichnerischen Helden!

  2. Wenn man die Vergrößerung rein zeichnerisch kompositorisch hinbekommen hat, kommt in der weiteren Ausführung bezogen auf ebendiese Vergrößerung schon direkt die nächste Herausforderung: Der Mangel an Information. Lass mich dazu ein kleines Beispiel geben: Nehme ich einen simpleren Gegenstand, beispielsweise eine Cocktailtomate und zeichne die in Originalgröße, so wird das wunderbar funktionieren. Zeichne ich dieselbe Cocktailtomate nun aber in einem Durchmesser von 50 cm, so mag das erstmal eine gute Idee sein, aber ich habe für die große Tomate nicht mehr Informationen als für die kleine, muss aber aufgrund der Größe sehr viel mehr zeichnen. Wo kommen jetzt weitere Informationen her, die ich für meine Zeichnung verwenden könnte? Das können nur freie und abstrakte Bereiche sein, die Du durch Deine Zeichnung, durch freie Interpretationen einbaust. Das ist mit das Schwierigste in einer Zeichnung, mit wenigen Informationen trotzdem eindrucksvoll und dicht Realität wiederzugeben. In der Malerei ist es üblicher, weil wir über viele freie Aspekte der Malerei auch viele Informationen schaffen können. Realität können wir wunderbare dosierend einfügen. In der Zeichnung geht es klassischerweise aber so sehr um Realität, dass wir uns um die freien zeichnerischen Bereiche am Anfang sehr bewusst kümmern müssen. In diesem Fall werden wir vieles über Farbstiftschichten kompensieren.

  3. Dann muss es in der Zeichnung auch nicht einfach um die pragmatische Umsetzung von Realität gehen. Wir wollen auch darüber hinaus Ziele erreichen: Bestimmte Stimmungen, Inhalte, Besonderheiten usw. In diesem Fall soll der Kronenkorken eine Dramatik bekommen.

die übung

Wir arbeiten auf ca. DinA3 und der Kronenkorken soll ohne Randanschnitte sehr groß umgesetzt werden. Lasst die Herausforderungen beginnen!

Schritt 1

Die Skizze und ihre Größe

Der erste Schritt ist, wie so oft, die Skizze, möglichst groß, ohne Anschnitte, noch nicht zu dunkel und absolut, trotzdem schon mit viel Detail. Setze alles, was Du an Informationen wahrnimmst!

Schritt 2

Die Schraffurskizze

Nun arbeite mit einem bräunlichen Farbstift. Ergänze Deine Skizze und setze viele skizzenhafte Schraffuren, die teilweise aber schon die Qualität einer Fläche haben sollen. Du kannst in diesem Schritt bereits leichte Verdichtungen schaffen und Deinen Kronenkorken an vielen Stellen bearbeiten. Es geht in diesem Schritt noch gar nicht um Dunkelheiten und „starkes Aufdrücken“.

Schritt 3

Die rotbraune Lasur

Setze Dir eine bräunliche Lasur an, ein anderes Braun als das des Farbstiftes. Bearbeite den Kronenkorken damit zu gut 50%. Gehe mit einem Tuschpinsel durchaus sehr stark ins Detail und in die Differenzierung. Dieser Schritt soll kein grober Schritt sein.

Schritt 4

Eine dunkle Lasur

Nun setze Dir eine sehr dunkle Lasur an, ggf. schwarze Tusche mit etwas Wasser und setze ähnlich detailfreudig und differenziert wie im Schritt davor alle Dunkelheiten.

Schritt 5

Viele viele Farbstifte

Der fünfte Schritt ist, nachdem der vierte gut durchgetrocknet ist, ein wichtiger und womöglich auch sehr zeitintensiver Schritt. Er beginnt damit, dass Du Dir ein Sortiment an Farbstiften zusammenstellst, gerne auch viele, und dabei berücksichtige bitte folgende Aspekte:

  • Zum einen benötigst Du Farbstifte, die sich sehr stark auf die Realität beziehen, viele feine Farbe, Grau-, Braun-, Erdtöne, auch dunkle Stifte. Diese Stifte sollen die Hauptfarbigkeit bilden und Deiner Zeichnung die nötige Realität in der Farbe geben.

  • Zum anderen benötigst Du kraftvolle Farben, die eben mit dieser Realität auch wieder brechen, wie ein Magenta oder ein Rot, ein Türkis oder ein Grün. Es geht hier nicht darum in die totale Farbkiste zu greifen und bunt zu werden. Sondern es gilt, die Realität auf farbliche Ebene auch wieder zu brechen. Bzgl. der Anteile dieser Farbe müsstest Du während des Zeichnens immer wieder die Balance zwischen realistischen Farben und Fremdfarben kontrollieren. Am Ende geht es in dieser Zeichnung um Realität und Dramatik.

Suche Dir klassischerweise einen Hauptbereich aus, in dem Du mit den Farbstiften sehr stark, sehr dicht, aber auch sehr fein arbeitest. Das kann, darf, soll und muss dauern. Schraffuren differenzierter und dichter Natur auf die Schnelle gehen nicht!

Leichte Wiederholungen in anderen Bereichen der Zeichnung können Sinn machen, aber das musst Du beim Arbeiten entscheiden. Auch hier nochmal: Grundsätzlich geht es in dieser Übung um Realität ….

Schritt 6

Der dunkle Bleistift

Unterstütze Deine dunkle Lasur teilweise noch einmal mit sehr sehr dunklen Bleistiftschraffuren.

 

Schritt 7

Die Bleistiftskizze

Schritt 7 ist ein optionaler Schritt. Bist Du mit Deiner Zeichnung bislang sehr zufrieden, funktioniert die Dramatik, die Realität, bist Du mit den Farbstiften dicht und malerisch geworden, dann lass diesen Schritt weg. Wenn Du aber das Gefühl hast, Du könntest noch mehr Realität und Differenzierung gebrauchen, dann greife in diesem Schritt noch mal zum Bleistift (HB-2B) und hole hier und da noch mehr Realität heraus. Behalte in dem Fall aber Deine bisherige Komposition im Auge!

Schritt 8

Der dunkle Schlagschatten

Nun setze mit einem Material Deiner Wahl einen fiktiven, dunklen Schlagschatten auf den Untergrund. Das Schlagwort ist „dramatisch“.

Schritt 9

Der freie Schritt

Der letzte Schritt soll nochmal ein freier Schritt sein, um Deine Arbeit abzuschließen! Auch dieser Schritt ist optional!

Die Reflektionen

Hat es funktioniert? Hat es Dir Spaß gemacht?

  1. Wie fandst Du den starken Einsatz von Buntstiften? Ist es Dir gelungen malerisch zu werden? Welche Rolle spielt dabei der Bleistift? Spielt er eine? Was sind Deine wichtigsten Erfahrungen in der Arbeit mit so vielen Farbstiften und Lasuren?

  2. Hat Dein Bild eine Dramatik bekommen? Wenn ja wodurch, wenn nein, warum nicht? Was könnte noch fehlen? Was würdest Du bezogen auf die gewünschte Dramatik bei einer zweiten Zeichnung anders machen?

  3. Hast Du über die Mischtechnik die fehlenden Informationen, wie in der Einleitung beschrieben, ausgleichen können? Was hättest Du machen können, wenn der Bleistift das einzige zulässige Material gewesen wäre? Was wäre Deines Erachtens anders gewesen?

ES gibt so wunderbar viele Themen, freue Dich auf das nächste in der kommenden Woche – sonnige Grüße aus Bochum – Stephan