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Stephan Geisler

RELIKTE DER RIESEN

DAS THEMA

Beim Nachsinnen zum neuen Zeichenthema stolperte ich heute Morgen beim Hundespaziergang über zwei Relikte einer inzwischen vergangenen Zeit. Die Morgenrunde mache ich in der Regel im Westpark rund um die Jahrhunderthalle in Bochum. Hier war früher ein Teil der stahlverarbeitenden Industrie Bochums beheimatet. An einigen Stellen sieht man das noch sehr deutlich. Die beiden Relikte auf den Fotos waren mal das Fundament von Stahlsäulen, auf denen riesige Stahlrohre über das Gelände geführt wurden.

Jeden Tag passiere ich diese beiden Zeugen einer anderen Zeit und heute schien mir der beste Moment, sie Dir einfach mal im Rahmen einer Zeichenübung vorzustellen.

Es sind keine Säulen mehr. Eher sind es verrostete und bewachsene Skulpturen, verbogen und unförmig, unendlich schwer und massiv. Die Form muss ergründet und erkundet werden, sie drängt sich nicht gleich auf. Trotzdem ist sie besonders und irgendwie spezifisch.

In dieser Übung benötigen wir Tusche, auch experimentelles und flächiges Schwarz, um dieser Schwere gerecht zu werden, wir benötigen einen genauen Blick aber auch ein bisschen den Wunsch zur Konfusion. Du wirst später sehen, was ich meine.

Die Übung

Da wir heute wieder mit Tusche arbeiten, ist ein glattes formstabiles Papier für Nasstechniken sinnvoll, wie z.B. das Satine von Arches oder Fabriano. Ansonsten nimm das Papier, dass Du hast. Es sollte lediglich glatt sein und die Tusche sollte nicht verlaufen bzw. ausfransen. Din A3 sollte es mindestens sein.

Falls Dein Papier eher dünn ist, klebe es umlaufend mit Tesakrepp auf einen festen Untergrund. Dann kann es sich beim Trocknen immer wieder glattziehen. Und im letzteren Fall solltest Du es zwischendurch auch immer mal wieder trocknen lassen.

Auf einem glatten geleimten Papier bleiben die Tuschen und die Lasuren intensiver stehen. Generell solltest Du viele verschiedene Papiere ausprobieren, um irgendwann Dein Lieblingspapier zu haben …..

schritt 1

Schwarze Tusche

Der erste Schritt ist zwar mit schwarzer Tusche, aber er soll rein experimentell sein, tropfend, schnell wischend, eigenwillige nicht kontrollierte Spuren in einem Anteil am Bild von ca. 20%.

Der Hintergrund ist, es sollen Spuren entstehen, die dunkel und widerborstig sind, auf die Du später reagieren sollst, Du kannst sie nicht wegkaschieren, sondern Du musst sie zwangsläufig mit einbauen. Sei gerne mutig, es darf auch etwas mehr sein!

schritt 2

Braune Lasur

Nun geht es um eine rotbraune bis braune Lasur mit Tusche und Wasser. Nimm so viel Tusche, dass die Farbe der Tusche wirklich präsent ist, also bitte nicht zu viel Wasser. Nun setze diese Lasur genauso experimentell wie vorher bereits die schwarze Tusche, bearbeite aber gut 40% des Blattes und werde auch etwas flächiger. Vielleicht nimmst Du zusätzlich noch einen Flachpinsel dazu, damit so eine Mischung aus wildem Experiment und Fläche entsteht.

schritt 3

Rohrfeder und schwarze Tusche

Nun zeichne eines der Objekte mit einer Rohrfeder und schwarzer Tusche formatfüllend. Zur Rohrfeder sei aber noch folgendes gesagt. Eine Rohrfeder ist sehr eigenständig. Ein bisschen macht sie, was sie will. Wenn sie nicht fließt, kann man sie mit einem Cutter auch immer mal vorsichtig nachschnitzen. Ansonsten tunke sie immer wieder in Tusche ein. Mit mehr Druck wirst Du nicht mehr Tusche aus ihre herausbekommen, sondern Du machst sie eher kaputt. Es ist tatsächlich wichtig, sich das immer mal wieder zu vergegenwärtigen.

Lass die Feder also laufen, orientiere Dich an der Vorgabe, suche die Details, suche die Form, aber strebe keine Perfektion an, sondern bleibe in der Realitätswiedergabe ziemlich frei! Es geht gerade bei der Rohrfeder um eindrucksvolle gelebte Linien. Wollte man eine exakte Realität würde man immer ein anderes Material wählen.

Genieße diesen Schritt, dann machst Du es richtig!!!

schritt 4

Zeichenfeder und schwarze Tusche

Jetzt kommt die klassische, möglichst weiche Zeichenfeder dazu! Jetzt kannst Du Dich partiell doch auch noch um mehr Detail kümmern. Suche Dir 2-4 kleine Stellen heraus, wo Du plötzlich sehr genau mit der Zeichenfeder zeichnest und schraffierst.

schritt 5

Farbstift Rot oder Orange

Wenn alles gut durchgetrocknet ist, greife zu einem roten oder orangefarbenen Buntstift und zeichne das zweite Objekt, komplett in derselben Größe wie das erste und zwar mitten auf das erste Objekt, so dass sie quasi deckungsgleich übereinanderliegen. So bekommst Du zwei Objekte, die jetzt quasi zu einem verschmelzen. So wird das neue Objekt komplexer und noch ein wenig verrätselter.

Achte in diesem Schritt natürlich auch wieder auf richtig gute und kraftvolle und akzentuierte und variationsreiche Linien.

schritt 6

Orangebraun

Nun benötigst Du eine orangefarbene Tusche mit einem Stich ins Braun, pur und/oder als Lasur. In diesem Schritt geht es darum, das erste oder das zweite Objekt mit Flächen zu betonen, indem Du teilweise Flächen in das Objekt setzt oder Flächen an das Objekt herankommen lässt, also positiv und negativ. Beziehe Dich aber tatsächlich nur auf eines der beiden Objekte.

schritt 7

Freier Schritt

Als Abschluss hast Du in einem freien Schritt nochmal die Möglichkeit mit einem Material Deiner Wahl entweder mehr zu klären oder nochmal mehr Verwirrung zu stiften. Mehr Realität ist nicht immer besser …… Sei mutig!

Reflektion

Wie fandst Du das Thema?

  1. Wie bist Du mit dem Thema klargekommen? Könnte das Thema „Alte Industrieanlagen“ dauerhaft etwas für Dich sein? Was ist das Besondere an diesem Thema?

  2. Wie findest Du Deine Zeichnung? Ist sie eher realistisch oder unrealistisch? Aufgrund welcher Faktoren kommt dieser von Dir definierte Realitätsgrat zustande?

  3. Was für andere Materialkombinationen könntest Du Dir bei den heutigen Objekten noch vorstellen? Gibt es Kombinationen, denen Du einen Mehrwert zutraust?

Wenn die Sonne scheint, suche doch mal die nächstgelegenen Industriefragmente auf und verbringe mit ihnen einen schönen Tag – herzliche Grüße – Stephan